Ich mach mich jetzt dann auf den Weg zu meinem Termin in Linz im Pöstlingberg Schlössl. Freu mich schon total und bin etwas aufgeregt
Auch Jana und Julian waren dort und haben auf dieser Sonnen-Terrasse zu Mittag gegessen. Wie es Jana ging, als Julian sie kurz davor von daheim abholte, dürft Ihr hier lesen.
Gute Unterhaltung und liebe Grüße,
Eure Sarah Saxx
Auszug aus Kapitel 7 – “Herz über Kopf”:
Da war plötzlich wieder das Surren, und verwirrt rieb ich meine Augen, als mit einem Mal mein Herz wie wild in mir hämmerte. Ich warf schnell einen Blick auf den Radiowecker auf meinem Nachttisch und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Im Hinauslaufen griff ich noch schnell nach meinem Bademantel, den ich auf einem Haken neben der Tür hängen hatte, und schlüpfte hinein. Es war zehn nach zwölf und das Surren meine Wohnungsglocke – Julian!
Ich murmelte noch ein leises „Verdammte Scheiße“, als ich im Vorbeigehen einen Blick in meinen Spiegel erhaschte, doch was sollte ich jetzt noch an meinem Erscheinungsbild ändern? Schnell warf ich noch einen Blick durch den Türspion und legte verzweifelt meine Stirn gegen das kühle Holz, als ich ihn an der gegenüberliegenden Wand lehnen sah. Ich drehte den Schlüssel um und drückte die Klinke nach unten. Langsam zog ich die Tür auf, nur einen Spaltbreit, dass vielleicht zwei Finger durchgepasst hätten – mehr schaffte ich gerade nicht, es wäre mir zu peinlich gewesen.
„Hallo … Sorry, ich hab verschlafen.“ Meine Stimme klang kratzig und heiser, als hätte ich die ganze Nacht gefeiert – oder geweint. Sein Antwortlachen trieb mir eine Gänsehaut über den Körper, und in dem Moment hätte ich ihn nur zu gerne hereingelassen – doch in meinem Aufzug … unmöglich!
Meine Haare standen in alle Richtungen, ich hatte dicke Ringe unter den Augen, und unter dem Bademantel trug ich einen hässlichen, löchrigen Pyjama aus dunkelrosarotem Flanell. Mit Bündchen! Ich sollte das Teil wirklich mal entsorgen, doch jedes Mal, wenn ich meinen Kleiderschrank ausmistete, konnte ich mich doch nicht von dem flauschigen Nachtgewand trennen.
„Ich … ähm … kannst du später noch einmal vorbei …“
„Kommt gar nicht infrage. Ich warte auf dich, bis du fertig bist.“
„Das ist keine gute Idee …“
Ich wartete etwas, lauschte in den Gang hinaus, doch außer dem Motorengeräusch des Aufzugs konnte ich nichts hören. War er etwa doch gegangen? Verunsichert riss ich die Tür auf – und starrte in Julians verwirrtes Gesicht. Er musterte mich von oben bis unten, und, als seine Augen das Dunkelrosa um meine Beine unter dem Bademantel erreicht hatten, fing er breit an zu grinsen.
„Und ich dachte, du hast Männerbesuch und willst mich nur mal eben abwimmeln, um ihn, ohne dass wir uns über den Weg laufen, aus deiner Wohnung schmuggeln zu können.“
„Und wenn es so wäre?“, maulte ich beleidigt. Okay, mein Erscheinungsbild war nicht gerade das, was man sich nach einer Nacht mit wildem Sex vorstellte, doch dass er dies komplett ausschloss, kränkte mich dann doch. Als Julian auch noch rau zu lachen begann, warf ich ihm einen bösen Blick zu, der hoffentlich das Feuerwerk der Hormone vertuschte, das seine Stimme in mir auslöste.
„Jana, also jetzt mal im Ernst, einen Mann, der dich so zurichtet, … den schmeißt du doch mit Sicherheit hochkant hinaus – der bleibt nicht heil bis Mittag in deinem Bett. Also was ist jetzt, lässt du mich hinein?“
Ich zögerte. Ihn jetzt wieder wegzuschicken, wäre auch nicht unbedingt die feine englische Art gewesen. Er konnte ja nichts dafür, dass ich verschlafen hatte. Naja … eigentlich doch … zumindest indirekt. Ich verdrehte die Augen, seufzte tief und öffnete die Tür ganz, um ihn hereinzulassen. Mit hochrotem Kopf zog ich meinen Bademantel noch einmal fest zu, was eigentlich unnötig war, denn der hässliche Pyjama ließ sich nicht verstecken. Von dem verstrubbelten Ding über meinem Hals ganz zu schweigen.
Julian folgte mir in mein Reich, und ich verfluchte mich. Hätte ich es gestern doch geschafft, die Tagebücher wegzulegen, anstatt sie alle zu lesen, dann wäre mir eben ein höchst peinlicher Moment erspart geblieben.
Mit einem Räuspern durchbrach ich die Stille. „Also … es tut mir leid, dass du jetzt warten musst. Mir ist das gerade äußerst unangenehm, aber ich verspreche dir, dass ich gleich wieder bei dir bin. Möchtest du etwas zu trinken, bis ich fertig bin?“
Wehe, wenn der jetzt nicht bald mit dem dämlichen Grinsen aufhört, brummte ich in Gedanken, und ich spürte, wie ich meine Augenbrauen angespannt zusammenkniff.
Er scannte mich noch einmal abschätzend von oben nach unten, wobei er sich das Grinsen immer noch nicht verkneifen konnte. „Nein, danke, bin nicht durstig.“ Wie zum Beweis leckte er sich mit der Zunge über seine Lippen. Sofort starrte ich gebannt auf seinen Mund.
„Ich hab uns einen Tisch reserviert, aber ich weiß nicht, wie lange die auf uns warten. Soll ich noch mal anrufen, um die Reservierung zu verschieben?“
„Für wie viel Uhr hast du reserviert? Und wo?“
„Für halb eins, im Pöstlingberg Schlössl, ich denke, eine Viertelstunde länger müsste uns der Tisch sicher sein.“
„Das schaffen wir …“, versicherte ich ihm.
Erst drehte ich den Badezimmerschlüssel und anschließend mich selbst um – und blickte dem Schrecken ins Angesicht. Ich hielt beide Hände ans Gesicht und brüllte stumm in mich hinein. Im großen Spiegel über dem Waschbecken mir gegenüber formte sich eine Kopie von Edvard Munchs „Der Schrei“.
Keine zehn Minuten fürs Styling, knappe zwanzig weitere für die Fahrt, und wir könnten noch rechtzeitig im Restaurant sein. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und gegen die geschwollenen Augen anzukommen, wusch ich mir mit eiskaltem Wasser mein Gesicht. Im Schnelldurchlauf putzte ich die Zähne und spülte mit der extrascharfen Mundspülung nach.
Ich zog den Pyjama aus, schlüpfte in den beigefarbenen Rock, der kurz über dem Knie endete, und zog mir das dunkelbraune Bandeau mit den cremefarbenen Stickereien über – zum Glück hatte ich bereits gestern Abend mein Outfit ausgesucht und über den Badewannenrand gelegt. Ich schickte ein telepathisches Dankeschön zu meiner Mom, die mir, seit ich zurückdenken kann, gepredigt hatte, sich die Kleidung am Vortag zurechtzulegen, wenn am nächsten Tag ein wichtiges Ereignis bevorstand. So blieb mir heute der Weg ins Schlafzimmer, und somit erneut an Julian vorbei, erspart.
Irgendwie machte es mich nervös, wenn ich daran dachte, dass er sich in dem Moment auf der anderen Seite der Tür aufhielt – in meiner Wohnung, meinem Heiligtum, wo ich mir nach der Episode mit Georg geschworen hatte, lange keinen Mann mehr hineinzulassen. Dass es jetzt so unerwartet dazu gekommen war, störte mich in seinem Fall eigenartigerweise gar nicht. Gut, abgesehen davon, dass er mich in diesem unmöglichen Aufzug gesehen hatte.
Hektisch fing ich an, meine Haare irgendwie passabel zu bändigen, und kämmte, was das Zeug beziehungsweise die Haarbürste und vor allem meine Haarwurzeln hielten. Meine Gedanken hatten inzwischen dieselbe Geschwindigkeit wie meine Hände erreicht und schossen wie wild durcheinander. Wenn ich daran dachte, wo Julian für uns reserviert hatte, in einem der schicksten und romantischsten Restaurants mit Blick über die ganze Stadt, kribbelte es in meinem Bauch.
Meine Haare hatte ich inzwischen zu einem lockeren Dutt hochgesteckt. Kajal und Mascara, Deo und Parfum folgten, und für die wenigen Minuten „Arbeit“ war ich tatsächlich mit meinem Spiegelbild zufrieden. Ich stieß den Atem heftig aus und öffnete die Tür – zurück in die Höhle des Löwen.
Julian stand im Wohnzimmer und inspizierte mein Bücherregal. Als er mich hörte, wendete er den Kopf in meine Richtung, und an seinem überraschten Blick war zu erkennen, dass er tatsächlich noch nicht mit mir gerechnet hatte. Oder lag es eher daran, dass ich in so kurzer Zeit ein doch äußerst passables Ergebnis zustande gebracht hatte?
Ich genoss seinen Blick, als ich auf ihn zuging, und schnappte nach der Handtasche auf dem Sideboard. „Auf gehts“, ließ ich ihn wissen, und war auch schon vorm Schuhschrank, aus dem ich meine dunkelbraunen Stilettos zog.