Viel- und Schnellschreiber vs. qualitativer Text

Immer wieder stolpere ich über Diskussionen, ja sogar über Hassbeiträge darüber, dass es »schlecht« sei, wenn ein:e Autor:in viel schreibt/viel veröffentlicht. Das könne ja keine gute Qualität sein, wenn man so viel Text in »kurzer« Zeit produzieren würde. Das Ganze geht sogar soweit, dass aktiv dagegen aufgerufen wird, die Finger von Bücher solcher Autor:innen zu lassen.

Ganz ehrlich, mich ärgert sowas.

Mag schon sein, dass manche Viel- und Schnellschreiber:innen qualitativ minderwertigen Content liefern. Wobei ich mich hier frage: Wäre er denn besser, wenn sie die Rohfassung »langsamer« schreiben würden?
Oder anders gefragt: Was macht einen so sicher, dass Text, der zügig und im Flow geschrieben wird, automatisch »schlecht« ist?
Wie ihr vielleicht wisst, bin ich Vollzeitautorin. Das Schreiben ist mein Job, und ich liebe ihn. Es erfüllt mich, macht mich glücklich. Ich sehe ihn nicht als »Arbeit«, auch wenn es mein Beruf ist.

Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären: Es ist mein JOB. Ich mache das seit acht Jahren und verstehe mein Handwerk. Und ich beherrsche das Zehnfingersystem. Blind. Das bedeutet, dass ich im Schnitt gute 1.000 Wörter in der Stunde schreibe. Ganz gemütlich. Wenn ich im Flow bin, sind es locker mal 1.600 oder mehr. Wenn ich also 3.000, 5.000 oder sogar 10.000 Wörter am Tag schreibe, dann mache ich das 1., weil ich es kann. 2., weil es mein Job ist und ich damit mein Geld verdiene. 3., weil es Spaß macht. 4., weil ich nun mal hauptberuflich schreibe und deshalb im Normalfall nicht nach einer oder zwei Stunden wieder vom Computer weg muss. Und ganz vielen meiner Kolleg:innen geht es genauso.
Es hebe also bitte diejenige Person die Hand, die nach zwei Stunden im Büro/im Laden/in der Werkstatt/etc. die Füße hochlegt und nicht mehr arbeitet, weil sonst die Qualität darunter leiden würde.
Ihr versteht, worauf ich hinauswill?

Das Ganze bedeutet jedoch nicht, dass ich es »schlecht« finde, wenn jemand Monate oder Jahre für seinen Roman oder gar für die Rohfassung braucht. Wir alle sind verschieden, und dadurch, dass ich so gut mit meinen Kolleg:innen vernetzt bin, weiß ich auch, dass alle unterschiedlich arbeiten. Manche schreiben neben ihrem Brotjob, neben der Familie. Sie schreiben dann, wenn sie die Muse küsst, wenn es draußen regnet, nur bei Ostwind oder ausschließlich, wenn es Muffins dazu gibt. Ich kenne Autor:innen, die jeden Tag konsequent 1.000 Wörter schreiben, weil sie neben ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen einfach nicht mehr schaffen (obwohl sie es gerne wollen würden), und veröffentlichen alle zwei Monate einen Roman mit 260 Seiten.
Ich kenne Kolleg:innen, die täglich mehrere tausend Wörter schreiben und teilweise jeden Monat – manchmal sogar unter mehreren Pseudonymen – veröffentlichen.

Ich habe Bücher von Autor:innen gelesen, die Monate oder teilweise auch Jahre an ihren Büchern gearbeitet haben, von denen sich ein Roman wie der andere gelesen hat. Die einen schwachen Schreibstil hatten und deren Geschichten mich nicht fesseln konnten. Genauso hab ich Bücher von sogenannten Viel- und Schnellschreibern gelesen, die mich völlig aus den Socken gehauen haben, mit Wendungen, die ich so nie erwartet hätte und einem Schreibstil, der mich fasziniert und tief berührt hat.
And guess what: Genauso ist es mir auch schon umgekehrt ergangen.

Was ich damit also sagen will: Hört bitte auf, zu behaupten, dass nur Autor:innen, die lange für ihre Romane brauchen, gute Bücher liefern. Denn das ist schlichtweg falsch. Durch die Möglichkeit, Leser:innen via Social Media an unseren Schreibprozessen teilhaben zu lassen, bekommt ihr einen Einblick in unsere Arbeit. Wir motivieren uns gegenseitig in der Öffentlichkeit (gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir öfter mal Tage haben, an denen wir uns am liebsten im Bett verkriechen und all das Chaos auf der Welt vergessen wollen würden). Und ja, wir veranstalten immer wieder Schreibchallenges. Wir teilen unsere Schreibfortschritte mit euch und folgen den Wünschen der Leser:innen, doch bitte möglichst bald Nachschub zu liefern, weil sie es nicht erwarten können, zu erfahren, wie es weitergeht.
Das Schreiben ist unsere Leidenschaft, und wir (oder zumindest die meisten von uns) tun das mit Liebe, Leidenschaft und Herzblut. Für gute Geschichten. Für euch.