Bonus-Epilog »Hot Dirty Voicemail«

ELISA

Alles Gute zum Voicemail-Jahrestag

 

Ein Jahr später

 

Konzentriert rieb ich die Handflächen aneinander und starrte zur Stange hoch, an der ich gleich Klimmzüge machen wollte – nach wie vor mein Endgegner. Doch wie bei allem ließ ich mich nicht davon beirren, dass ich über Monate hinweg nur acht hintereinander geschafft hatte. Seit einiger Zeit war ich bei neun angekommen, aber zehn waren mein aktuelles Ziel – und diese würde ich irgendwann erreichen.

Ein letztes Mal atmete ich tief durch und sprang hoch. Umfasste das kalte Metall, spannte meine Muskeln an und zog mich nach oben. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Mit einem Mal spürte ich – wie vor über einem Jahr – einen Körper hinter mir und Beine, die sich um meine schlangen. Dazu stieg mir Maddox’ unverkennbarer Duft in die Nase, während er sich gemeinsam mit mir hochzog.

»Alles Gute zum Voicemail-Jahrestag«, raunte er mir ins Ohr, woraufhin ich lachen musste – und die Stange losließ. Allerdings fiel ich nicht nach unten. Nein, ich wurde von ihm gehalten. Einarmig.

Gott, dieser Mann war nicht nur verdammt süß und großartig, sondern auch unglaublich stark.

Als ich wieder Boden unter meinen Füßen spürte, drehte ich mich zu ihm um. »Das war gemein, du weißt, ich will endlich die Zehn schaffen.«

»Ich hätte dir dabei geholfen.«

»Allein!« Liebevoll gab ich ihm einen Schubs gegen die Brust.

»Du packst doch schon neun. Ich bin jedenfalls stolz auf dich.« Er zog mich an sich und küsste mich sanft auf die Lippen.

Wie sollte ich da böse auf ihn sein?

»Dir auch alles Liebe zu unserem Jahrestag – der genau genommen keiner ist.« Immerhin lag der im April und nicht im Juli. Aber ich hatte nichts dagegen, dass wir beide feierten – den Tag, als wir offiziell ein Paar wurden, und der, an dem ich zum ersten Mal seine Stimme gehört hatte.

Ich stupste ihn an die Nase und wollte zurück zum Stehtisch, auf dem ich das Notizbuch mit meinem Trainingsplan abgelegt hatte. Doch Maddox hielt mich an der Hand fest und zog mich erneut an sich. Sah mir tief in die Augen und lächelte.

»Weißt du eigentlich, dass du das Beste bist, was mir je passiert ist? Im Grunde will ich deshalb jeden Tag mit dir feiern.«

Verflixt, warum schlug mit einem Mal mein Herz so viel schneller?

»Das kann ich nur zurückgeben«, erwiderte ich mit weicher Stimme und schmiegte mich an ihn. »Und ich freue mich schon auf unser Dinner and Crime heute Abend. Das wird bestimmt eines meiner Jahreshighlights.«

»Mhh, wenn du dich da mal nicht irrst«, murmelte Maddox, hatte sich aber bereits abgewandt und sich Hanteln geschnappt, die ich nur von Weitem ansah, weil sie so schwer waren.

Zwar wollte ich noch nachfragen, was genau er mit seiner Aussage meinte, war jedoch so von seinem Muskelspiel abgelenkt, dass ich darauf vergaß.

 

Bevor wir schließlich zu den Duschen gingen, probierte ich es erneut mit den Klimmzügen. Allerdings hatte ich meine Muskeln bis dahin so sehr gefordert, dass ich acht Züge später aufgeben musste.

»Lass den Kopf nicht hängen, beim nächsten Mal schaffst du wieder die neun. Oder sogar zehn.« Maddox knuffte mich in die Seite und zwinkerte mir zu.

»Ja, sofern ich nicht abgelenkt werde, stehen die Chancen gut.«

Er stieß ein leises Brummen aus und zog mich an sich. »Sorry, dass ich nicht die Finger von dir lassen kann, wenn du dich so sexy an der Stange nach oben ziehst.«

Kichernd wand ich mich aus seiner Umarmung. »Man merkt, dass Nicolai nicht da ist. In seiner Abwesenheit lässt du den Kuschelbär raushängen.«

Heute war zwar Sonntag und wir waren zwei Stunden später als sonst im Gym. Doch selbst an den Wochentagen war sein bester Kumpel nicht mehr jeden Morgen mit uns trainieren – beziehungsweise kam er hin und wieder nach, wenn es abends länger geworden war. Aber da der Grund dafür Avery hieß, waren wir ihm nicht böse.

»Stört es dich?« Maddox’ Lippen schwebten über meinen.

»Kein bisschen. Was mich allerdings stört …« Sanft schob ich ihn von mir. »Ist dein Schweiß.« Ich rümpfte die Nase.

Grinsend rieb er sich erst recht an mir. »Letzte Nacht hast du dich auch nicht darüber beschwert, als ich in dir war.«

War so klar, dass er sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, mich zu necken.

Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass ich knallrot anlief.

Verlegen schielte ich zur Frau nur wenige Schritte von uns entfernt, die gerade Gewichtscheiben zurück an ihren Platz räumte.

»Das ist was anderes«, sagte ich peinlich berührt. »Geh duschen!«

»Mit dir?« Neckend wackelte er mit den Brauen, woraufhin ich nur die Augen verdrehte und mich auf den Weg zu den Damen-Umkleiden machte.

 

Knappe zwanzig Minuten später spazierten wir, unsere Trainingstaschen geschultert, quer durch den Washington Square Park.

»Was hältst du davon, wenn wir zu Kenny frühstücken gehen?«, schlug Maddox vor und vielleicht bildete ich es mir ein, aber in seiner Stimme schwang ein seltsamer Ton mit, den ich nicht deuten konnte.

Kenny war ein neues Café, das vor einigen Monaten unweit unserer Wohnung eröffnet hatte und das nach seinem Besitzer benannt war. Bei ihm gab es den mit Abstand besten Kaffee und noch bessere Pancakes.

»Klar, klingt gut. Ich muss heute sowieso nicht ins Atelier.« Seit wir vor einigen Monaten mit dem Umbau und dem Zusammenlegen der beiden Wohnungen fertig geworden waren, konnte ich endlich wieder zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Atelier zum Arbeiten. Das nahm mir eine Menge Stress – wobei ich mir den vermutlich nur selbst gemacht hatte, weil ich dachte, nicht genug Zeit fürs Malen zu haben. Dabei war ich ja grundsätzlich wie zuvor fast den ganzen Vormittag dort und nachmittags in der Galerie.

Diese war übrigens richtig gut angelaufen, und seit ich meine Bilder ausstellte und verkaufte, rannten mir die Leute förmlich die Bude ein. Es gab sogar Wartelisten für Werke, die ich noch nicht einmal begonnen hatte. Verrückt, wie sich mein Leben innerhalb des letzten Jahres geändert hatte …

»Super, und danach machen wir uns einen gemütlichen Tag im Bett. Aus dem lasse ich dich erst wieder raus, wenn wir zu unserem Dinner … Oh, warte mal, mein Schnürsenkel ist auf.«

Auf Höhe der Washington Square Fountain blieben wir stehen. Ich sah Maddox zu, der seine Sporttasche abstellte und auf ein Knie sank, um …

Sein Schuh war gar nicht offen!

Stattdessen sah er zu mir auf, eine kleine Schatulle in den Händen, in der ein bezaubernder Ring glitzerte. »Elisa Cooper, ich bin verrückt nach dir und liebe dich aus ganzem Herzen. Ich möchte dir bis an mein Lebensende bei den Klimmzügen helfen und deine Pinsel auswaschen, wenn du mit der Arbeit fertig bist. Ich werde meine Süßkartoffelpommes mit dir teilen und dich auf unseren Dates zum Lachen bringen. Ich will dich bis mitten in die Nacht hinein lieben und am nächsten Morgen mit dir in meinen Armen aufwachen. Also bitte sag Ja und heirate mich.«

Völlig überrumpelt ließ ich die Trainingstasche fallen und schlug beide Hände vor den Mund. Mein Blick verschleierte, als ich Maddox ansah, der immer noch vor mir kniete und die Anspannung in seinem Gesicht verriet, dass er sich nicht sicher war, wie die Antwort ausfallen würde.

»Ja!«, brachte ich endlich hervor, während mein Herz wie irre polterte und ich zu begreifen versuchte, was eben passierte.

»Ja?«

»Ja!«, rief ich nun lauter und fiel ihm um den Hals.

Wackelig stand er auf.

Unmöglich konnte ich ihn loslassen. Ich presste meine Lippen auf seine und legte all meine Gefühle in diesen Kuss, während Tränen meine Wangen fluteten.

»Sieht aus, als hätte sie Ja gesagt«, hörte ich eine mir bekannte Stimme hinter mir.

Als ich mich umdrehte, kamen Nicolai und Avery auf uns zu und strahlten bis über beide Ohren.

»Was macht ihr denn hier?« Vor Aufregung und Überraschung surrte mir der Kopf.

»Dürfen wir gratulieren?«, fragte meine Freundin, während ich mir überglücklich über die feuchten Wangen wischte.

»Ja, sie nimmt mich wirklich zum Mann.« Maddox lachte, als könne er sein Glück nicht fassen.

»Zeig her!«, verlangte Avery und griff nach meiner Hand.

»Oh, der Ring!«, rief ich aus, was alle amüsierte.

Maddox zog mich an sich und nahm das zarte Schmuckstück aus der Schatulle, bevor er es mir vorsichtig ansteckte. Und Gott, es war der schönste Ring, den ich je gesehen hatte – Roségold mit einem einzelnen Diamanten.

Als Avery ihn betrachtete, sog sie tief Luft in die Lungen.

»Ich dachte ja, du hast Maddox bei der Auswahl geholfen«, gab ich ehrfürchtig zu.

»Nein, das hat er ganz allein gemacht. Ich habe nur einen deiner Ringe entwendet, damit er einen zum Vergleichen hat.« Entschuldigend sah mich meine Freundin an. »Aber keine Sorge, er ist schon wieder an seinem Platz, du hast vermutlich gar nicht gemerkt, dass er gefehlt hat.«

»Herzlichen Glückwunsch euch beiden.« Nicolai grinste breit und klopfte erst Maddox auf die Schulter, ehe er mich in eine freundschaftliche Umarmung zog.

»Ja, den besten Wünschen kann ich mich nur anschließen.« Avery fiel mir um den Hals und als sie sich wieder von mir löste, merkte ich, dass ihr Tränen in den Augen standen. »Ich freue mich so sehr für euch beide.« Schniefend wischte sie sich über die Wangen.

»Woher habt ihr gewusst …?« Aber ein Blick zu Maddox verriet mir bereits die Antwort. Natürlich hatte er unsere Freunde eingeladen, damit sie diesen besonderen Moment mit uns feierten. »Was hättest du gemacht, wenn ich Nein gesagt hätte?«

»Dann würden dich jetzt die beiden so lange bearbeiten, bis du es dir anders überlegst«, meinte er feixend, woraufhin wir alle lachten.

»Und … das Frühstück bei Kenny?«

»Dort ist selbstverständlich ein Tisch für vier reserviert. Aber am Abend beim Dinner sind wir wirklich allein.« Maddox zog mich an sich und küsste mich liebevoll, die Hand mit dem Ring in seiner. »Davor und dazwischen ebenfalls. Immerhin will ich meine Verlobte so lange vögeln, bis sie sich sicher ist, ihre Entscheidung nicht zu bereuen.« Er raunte diese Worte an meinen Lippen, aber dennoch stieg mir Hitze ins Gesicht.

Amüsiert schüttelte ich den Kopf. »Glaub mir, das musst du nicht fürchten. Weil du die Liebe meines Lebens bist.«

Maddox sah mir tief in die Augen. Sein Blick war intensiv und prickelte tief in meinem Bauch. Und ich wusste, ihm ging es genau wie mir. Wir hatten uns nicht gesucht und dennoch gefunden – und manchmal, wie in unserem Fall, waren Beziehungen, die unter derart außergewöhnlichen Voraussetzungen entstanden, diejenigen mit dem höchsten Zukunftspotenzial. Ich jedenfalls war rundherum glücklich – und verliebt.